Andasibe – Lemuren mit Biss

Anreise

Mitten in der Nacht werde ich munter, da immer noch die Hölle los ist. Nix mit Schlafen, also sehe ich mir einen Film an. Nach einer Weile ist endlich Ruhe und ich kann noch eine Runde mützen. Ich deponiere den großen Rucksack und gehe zum Hotel vom letzten Mal, um ein Zimmer zu reservieren. Es ist noch etwas frei. Jupidu. Nun geht es mit einem Taxi zum Stand der Taxi-Brousse, so werden hier die kleinen Sammelbusse genannt, und ich muss ein Ticket am Schalter kaufen. Das ist nicht so einfach, aber mit Google Translate klappt es und ich habe sogar eine Sitzplatznummer. Wow, wie organisiert im Vergleich zu den Ländern in Ostafrika, wo man einfach einsteigt und bezahlt. Es soll gleich losgehen. Jaja, das kenne ich schon. Zwischen einer halben und zwei Stunden ist da alles möglich. Ich habe Hunger und besorge etwas zu essen. Nach nur einem Sandwich geht es tatsächlich schon los. Und zwar zur Tankstelle. Der Minibus ist voll und jeder hat seinen eigenen Sitzplatz. Davon sind sogar nur drei in einer Reihe. Cool. Ich bin gespannt, ob das so bleibt. Anzahl Vazaha: 1. 

Es geht der RN2 entlang über das Hochland nach Osten. Die schlechte Straße fordert ihren Tribut. Nirgendwo anders habe ich so viele liegengebliebene LKWs gesehen, wie hier. Ich schreibe an den Reiseberichten und schlafe etwas. Ich freue mich, wieder auf eigene Faust zu reisen. Ach Ja, wir haben keinen einzigen weiteren Passagier mitgenommen und es ist auch nirgends jemand ausgestiegen. Entweder hatte ich viel Glück, oder auf der Strecke läuft das so, denn ich habe die letzten Wochen auch total überfüllte Taxi-Brousse im Nirgendwo halten gesehen. 

Um zwei Uhr erreichen wir Moramanga und nur etwas später sitze ich in einem dieser engen Busse und warte, bis er voll ist. Kuschelige fünf Sitze in einer Reihe. Ein Kind schreit wie am Spieß. Nach knapp einer Stunde geht es los und nach einer weiteren erreichen wir Andasibe. Ich latsche ins Restaurant der Lodge und jemand grüßt mich von der Seite. Cool, das ältere Paar aus dem Kirindy Forest ist auch da. Wie klein doch die Welt ist. Gleich mal etwas plauschen. Ich fasse den Zimmerschlüsel aus und richte mich etwas ein. Kein WLAN, kein Handyempfang. Das WLAN im Restaurant funktioniert zwar, aber es gibt nur manchmal seeeehr langsames Internet. Soviel zu meinem Plan, ein paar Dinge zu erledigen. 

Draußen sehe ich David. Cool. Er und Leonie sind gerade angekommen und haben bereits ein Treffen mit einem Guide ausgemacht. Sie bleiben ebenfalls drei Nächte und wir wollen die Touren gemeinsam machen. Nachdem wir diese mit Olivier, unserem Guide, besprochen haben, gehen wir zur Kreuzung zum Abendessen. Es gibt köstliche Hühnersuppe und Zebu mit Reis. Das Fleisch ist der Wahnsinn. Das erste Mal, dass es so richtig schön weich ist und nicht die Hälfte zwischen den Zähnen hängen bleibt. In der Lodge gönnen wir uns noch ein Bier und ich quatsche im Anschluss mit dem älteren Pärchen. Um zehn vor zehn Uhr wird zugesperrt und ich sehe mir noch einen Film an. Vielmehr versuche ich es, denn ich schlafe dabei ein. 

Maromizaha National Park

Gestern bin ich eingepennt, ohne einen Wecker zu stellen, werde aber zum Glück rechtzeitig wach, denn bereits um halb acht Uhr kommt Oliver. Leider ist es kein gutes Erwachen, denn ich habe massives Kreuzweh und stehe kurz vorm Hexenschuss. Kein Wunder, denn das Bett hängt extrem durch. Das muss ich am Abend umbauen. Wir wollen an der Kreuzung noch Jause besorgen, doch leider hat alles geschlossen. Na dann gibt es eben nur Bananen. Sollen ja gesund sein. 😁 Wir fahren ein Stück zum Büro des Maromizaha National Park und bestellen an einem Stand Sandwiches mit Omelett, während wir die Tickets kaufen. Entgegen unserer Annahme besteht ein Sandwich aus einem ganzen Baguette. Gut, dass wir zwei Eier pro Sandwich geordert haben. Über eine schlechte Straße fahren wir mit dem Allrad zum Ausgangspunkt hoch, wo wir auf unseren Ranger treffen, der ein Stück voraus geht um die Tiere zu suchen. . 

Der Weg führt den ersten Kilometer im Sekundärwald entlang und geht dann in den Primärwald über. Wir können bereits den Gesang der Indri Indri, den größten Lemuren, hören. Bis zu drei Kilometer dringt dieser Ruf durch den dichten Urwald. Ein Chamäleon sitzt direkt neben dem Weg. Es ist nicht einfach, es zu fotografieren, da es sich immer so dreht, dass der Ast, auf dem es sitzt, zwischen ihm und der Kamera ist. Wir überlisten es und nähern uns von zwei Seiten. 😁 Ein Stück weiter sehen wir Indri Indri ganz aus der Nähe. Einer springt nur einen Meter über mir über den Weg auf einen anderen Baum. Wahnsinn. Und dann legen sie mit ihrem Kontaktruf los. Dieser ist so laut, dass sich David sogar die Ohren zuhält. Was für ein Spektakel. 

Gesang der Indri Indri

Wir kommen an einigen Aussichtspunkten vorbei und haben einen guten Überblick über den Regenwald. Unser Tracker spotted Diadem bzw. Golden Sifakas. Sie werden auch Dancing Sifakas genannt, da sie am Boden auf zwei Beinen hüpfen. Die Gruppe ist direkt vor uns und einer starrt mich aus eineinhalb Metern Entfernung an. Ein anderer sitzt am Boden und frisst genüsslich Blätter. Er ist wenig von uns beeindruckt und wir könnten ihn sogar berühren, wenn wir wollten. Wahnsinn. Oliver führt uns zum Research Center, das mit Hilfe von italienischen Geldern errichtet wurde. Fünf italienische Studentinnen sind aktuell für ihre Diplomarbeit einquartiert. Sie studieren das Verhalten unterschiedlicher Lemuren und Eco-Akustik. Klingt alles ziemlich interessant, was die Mädels so erzählen. Sie sind mehrere Monate im Camp und fahren nur alle zwei Wochen nach Moramanga, um Nahrungsmittel zu kaufen. Ein Tag im Camp inklusive Verpflegung, Guide und allem Drum und Dran kostet nur € 15 für Studenten der Partneruniversität. Ist also auch für Studenten erschwinglich. Luxus gibt es allerdings zu dem Preis nicht. Es wird in Zelten geschlafen und zum Essen gibt es, wer hätte es gedacht, Reis mit Gemüse. Wir schließen die Runde ab und gehen den Rest am gleichen Weg zurück zum Parkplatz. 

Golden Sifaka lässt sich die Blätter schmecken

Im Hotel entdecken wir einen Wuzzler und spielen ein paar Bälle, bevor wir etwas rasten. Im Zimmer baue ich das Bett um, lege die fette Dekowurst unter die Matratze und schlafe eine Runde. Vielleicht wird das Kreuzweh besser. Nö, wird es nicht. Egal, Hunger. Wir gehen wieder in unser Stammlokal, heute im Anschluss aber in ein anderes einheimisches Restaurant gleich gegenüber unserer Lodge und genehmigen uns ein Bier und drei Runden der köstlichen kleinen Spieße. Insgesamt 45 Stück. 😁 In der Lodge geselle ich mich wieder zu dem älteren Pärchen und Matt aus UK. Er hat bereits über 100 Länder bereist. Die 55 Länder der UEFA sogar alle in nur einer Saison, um sich in jedem Land ein Spiel anzusehen. Crazy. Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben, welches sich angeblich nicht so schlecht verkauft. Er ist voll nett und ich biete ihm an, morgen mit uns zu kommen. Heute werden wir um zehn Minuten früher als gestern aus dem Lokal geschmissen, quatschen aber draußen noch eine halbe Stunde weiter. 

V.O.I.M.M.A Community Reserve und Vakona Forest Lodge

Noch bevor es losgeht, sichten wir bereits das erste wilde Tier. Eine Tree Boa hat es sich in einer Baumkrone gleich neben dem Restaurant gemütlich gemacht. Mit Oliver geht es kurz vor acht Uhr los zum V.O.I.M.M.A. Community Reserve. Wem ist bloß dieser bescheuerte Name eingefallen? Wir frühstücken an einem kleinen Stand und machen uns auf den Weg. Gleich zu Beginn erklärt er uns Oliver, wie der Walking Tree “geht”. Er bildet eine Luftwurzel, wodurch er sich zur Seite neigt. Erreicht die Luftwurzel nun den Boden, wird sie zum Hauptstamm und der alte stirbt ab. Somit ist der Baum ein Stück weit “gegangen”. Etwas später sehe ich einen orangen Fleck auf einem Baum, der meine Aufmerksamkeit weckt. Es kann kein herbstlich gefärbtes Blatt sein, denn Herbst gibt es in Madagaskar nicht. Es ist ein Chamäleon, das von der Sonne durchleuchtet wird. Es scheint satt zu sein, denn in der Mitte ist ein dunkler Fleck. Der volle Magen. Jupidu, ich habe mein erstes Chamäleon entdeckt. Es ist ein Elefant Ear, auch Short Horn Cameleon genannt, erklärt uns Oliver. 

Etwas später sehen wir Indri Indri, die leider hoch oben in den Baumkronen sitzen. Also auf zu den Brown Lemurs, die an Besucher gewohnt sind und ganz nahe kommen. Einer tapst mich sogar an, da er die Bananen im Rucksack riecht. Äääh, die waren aber für mich gedacht. 😁 Entgegen meiner Erwartungen fühlen sich die Pfoten kalt an. Wir sehen noch ein Parson’s Chameleon, ein paar Vögel und beim Ausgang einen Leaf Tailed Gecko, den König der Tarnung. Gegen Mittag ist die Runde zu Ende, wir verabschieden uns von Oliver und essen eine Kleinigkeit. 

Mit dem Fahrer geht es zur Vakona Forest Lodge, wo wir Tickets kaufen und zu allererst zur Lemur Island gehen. Ein Guide bringt uns mit einem Kanu zehn Meter über das seichte Gewässer. Das ist zwar nicht weit, aber es reicht, um die wasserscheuen Lemuren auf der Insel zu halten. Ein paar Brown Lemur sitzen in der Krone eines Farn Trees und beobachten und neugierig. Es dauert nicht lange und sie kommen näher. Einer hüpft auf meine Schulter und stiehlt mir eine Banane aus der Seitentasche meines Rucksacks. Ein Ruffed Lemur nähert sich und springt auf Leonie, die das flauschige Tier berühren möchte. Der Guide meint: “Don’t touch her! She is pregnant and crazy!”. Etwas später springt ein Brown Lemur auf meine Schulter und stiehlt mir die nächste Banane aus der Seitentasche. Die Beute wird schmatzend inklusive Schale verputzt. 😁 Es ist witzig, wenn die Wollknäuel auf einem hocken. 

Ein anderer probiert sein Glück und klettert auf meiner Schulter herum und fischt in der Seitentasche. Der schwangere Lemur, der in der Nähe sitzt, fühlt sich anscheinend gestört. Sie springt ebenfalls auf mich und möchte den Brown Lemur beißen. Dieser kann jedoch abhauen und sie erwischt mich im Oberarm. Toll, nun wurde ich auch noch von einem Lemuren gebissen. Die über einen Zentimeter lange Wunde blutet und wir versorgen sie provisorisch. Nur gut, dass ich immer Verbandszeug dabei habe.

Der Guide macht nichts, er fragt nicht einmal, wie es geht. Stattdessen lockt er einen Red Ruffed Lemur auf einer anderen Insel an, indem er eine Karotte hinüber wirft. Echt ein schönes Tier. Natürlich werden wir von den Brown Lemur begleitet, die immer noch hinter den Bananen her sind. 😁 Mit einem Bamboo Lemur sind alle auf der Insel wohnenden Lemuren komplett und wir fahren mit dem Kanu wieder zurück, wo schon der Fahrer auf uns wartet. 

Er bringt uns zu einem anderen Teil der Lodge, wo es Krokodile gibt. Es sind Nilkrokodile, die faul entlang eines Gewässers in der Sonne liegen. Wir werden durch eine Art Zoo geführt. Im Gegensatz darf aber jedes Gehege begangen werden. OK, das der Krokodile nicht. Außer den riesigen Nilkrokodilen sehen wir einen Kingfisher, Enten, Schildkröten, Tree Boas, Chamäleons und Leaf Tailed Geckos. 

Nach der Runde fahren wir zurück ins Hotel, wo ich an der Rezeption Alkohol besorge. Vermutlich irgendein selbst gebrannter Schnaps, der zum Desinfizieren der Wunde sicher ausreicht. Zumindest riecht er so. Nachdem Leonie meine Wunde versorgt hat, gehen wir wieder in unser Stammlokal. Ich esse erneut Hühnersuppe und köstliches Zebu. Nur das Bier lasse ich aus, da ich mir Antibiotika und Ibuprofen reinziehe. In der Lodge gönnen wir uns dann noch eine Nachspeise. Das Mousse Chocolate schmeckt echt nicht übel. Matt ist mit Oliver auf einen Night Walk gefahren, wir wollen unser Glück aber auf eigene Faust versuchen und starten mit Stirnlampen bewaffnet los. Ausbeute: Zwei Nachtfalter und eine Heuschrecke. Zurück in der Lodge setze ich mich zu Matt und den anderen. Er berichtet, dass sie sogar einen Mouse Lemur gesehen haben. Cool, so ein Guide ist schon sinnvoll. Damit die Leute heute noch früher auf die Zimmer gehen, wird der Stecker vom Router gezogen, wir bleiben allerdings noch etwas sitzen. Als kurz vor halb zehn Uhr das Licht ausgemacht wird, gehen wir dann schließlich auch. Aber nicht ohne etwas zu mosern. 😁 Im Zimmer möchte ich noch die Fotos der letzten Tage aussortieren, schlafe aber nach ein paar Bildern ein. War ja wieder einmal ein ereignisreicher Tag. 

2 Gedanken zu „Andasibe – Lemuren mit Biss“

  1. Wow, unfassbar beeindruckend! Also allen voran die super Lemuren- und Chamäleon – Fotos, aber auch die Bilder auf denen man deine Kamera sieht😉 Die Boas und Krokos sind mir ja unheimlich, da krieg ich sogar Gänsehaut obwohls nur Fotos sind…
    Wie gehts dir nach dem Lemurenbiss? Hab mich ja schon ein bisschen schlau gemacht und bin gespannt ob wir demnächst vom Awesome Lemur-Man oder so hören ( Superhelden-Fähigkeiten: “Allesfresser”, nachtaktiv, geschickt im Klettern, fotografisches Gedächtnis, Biersensor?) – aber nachdem du schon in Neuseeland unterwegs bist, nehm ich an es ist glimpflich ausgegangen…😁
    Ich freu mich schon auf die weiteren Abenteuer des fabelhaften Lemurmans… (ich arbeite noch dran!)
    GlG
    Simone

    1. Hallo Simone,

      ja, ist alles glimpflich verlaufen. Ist jetzt schon das zweite Souvenir, das ich nicht auf den Schrank stellen kann. Dafür kann ich es immer herzeigen. 😁

      Allesfresser, nachtaktiv und Biersensor auf jeden Fall. Mein Gesang horcht sich auch so ähnlich an, wie der Ruf der Indri Indri. 😁

      LG vom Marfells Beach

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