Ich bin aufgeregt, da heute die Chance besteht, eine Famadihana in der Umgebung zu sehen. Ich bespreche die Option mit Bari und er meint, dass auf den Weg nach Antananarivo viele sind und es zeitlich wesentlich günstiger ist. Perfekt. Dann kann’s losgehen. Bei einem Zwischenstopp versorge ich mich mit Reiscookies. Allerdings einer anderen Variante. Diese sind halbiert und noch einmal in reichlich Fett angebraten. Mjam. Bari fragt in mehreren Orten, nach Famadihanas, aber die waren alle schon gestern. Mist. Das Datum wird von einem Schamanen bereits ein Jahr in voraus festgelegt. Esgeht weiter ind wir nähern uns Tana. Ich dränge Bari erneut zu fragen, denn je näher an der großen Stadt, desto weniger wird dieser Brauch ausgeübt. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, aber ein Mann meint, oben bei der Kirche ist etwas am Laufen. Wir fahren hin und tatsächlich wird eine Famadihana gefeiert. Bari fragt das Familienoberhaupt um Erlaubnis, ob ich teilnehmen darf. Ja, wenn ich ein wenig in die Gemeinschaftskasse einzahle. Ausgezeichnet.
Tja, und was ist nun so eine Famadihana eigentlich? In Madagaskar ist der Tod nicht für die Ewigkeit. Die Toten werden zu Geistern, die in Bäumen, Tieren und in der Luft Leben. Darum sollte man auch nicht mit ausgestrecktem Finger auf etwas zeigen, da man damit die Geister beleidigen könnte. In den Gruften ist es dunkel und kalt und die Toten sind gelangweilt und vermissen ihre Familien, weshalb sie von Zeit zu Zeit zurückkehren möchten. Bei einer Famadihana werden die Gräber geöffnet, die in Tücher gewickelten Toten zum Sonnenbaden aufgebahrt, während die Familie feiert und dann mit ihnen tanzt.
Und auf genau so einer Feier geht es jetzt. Bari bringt mich zur Familie, die das Fest veranstaltet, und ich zahle in die Gemeinschaftskasse ein. Neben dem Haus sind bereits drei Gebeine aufgebahrt. Das müssen die Leute auf den Fotos sein. Zeit, sich unauffällig unter die Gäste zu mischen. Das ist allerdings schwierig, da ich als einziger Weißer auffalle, wie ein bunter Hund. Und so dauert es keine fünf Minuten, bis mich eine Frau auf die Tanzfläche holt und ich mit den Gästen zu sehr eigenwilliger Musik tanze. Immer wieder kommen ziemlich betrunkene Männer und quatschen mich an. Leider verstehe ich kein Wort, da ich kein Französisch und sie kein Englisch sprechen, falls sie überhaupt noch in der Lage sind zu sprechen. 😁
Ich seile mich ab, um das Geschehen aus dem Hintergrund zu fotografieren. Das geht ordentlich schief, denn jeder, der mich mit meiner Kamera sieht, möchte fotografiert werden. Alleine, mit Freunden oder natürlich mit Kind oder Familie. Im Anschluss werden die Fotos immer begutachtet. Nachdem ich über eine Stunde lang geknipst habe, gönne ich mir ein Bier, ein sehr warmes Bier. Nun werde ich von allen angequatscht, ihnen eines auszugeben. Naja, eines für die Mädels. 😁
Plötzlich tut sich etwas. Die Überreste der in Seidentücher eingewickelten Toten werden in Matten gebettet und ein Zug formiert sich. Mit Musik, Tanz und einem Fahnenträger geht es zu den Gruften.
Die Kapelle klettert auf eine Gruft hoch und beginnt nach einer kurzen Ansprache der Familienoberhäupter zu spielen. Nun werden die sterblichen Überreste aus den Tüchern gewickelt und in neue gebettet. Manchmal kommt auch einfach nur ein neues über die alten. Anschließend werden sie in eine Matte eingerollt und von den engsten Familienmitgliedern auf den Schoß genommen und einige Tränen fließen. Süßlicher Geruch liegt in der Luft.
Als alle fertig sind, legt die Kapelle wieder los und die Gebeine werden auf die Schulter genommen, um mit ihnen zu tanzen. Vor und zurück, vor und zurück. Teilweise sehr wild. Je nach Alkoholisierungsgrad. Ich versuche, das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven einzufangen, mich aber im Hintergrund zu halten. Trotzdem überwiegt die Neugier und ich klettere auf eine der Gruften, auf denen auch schon andere standen. Eine halbe Stunde wird ausgelassen getanzt, bis alle Gebeine wieder in die Gruft zurückgebracht werden. Ein guter Zeitpunkt um zu gehen. Ich verabschiede mich bei ein paar Leuten und verlasse das Geschehen. Was für eine Erfahrung. Irgendwie toll zu wissen, dass man nach dem Tod immer noch auf einer Party, so nennen es die Einheimischen, sein wird. 😁
Bari und ich haben Hunger. Kein Wunder, es ist bereits vier Uhr und wir hatten nur Frühstück. In Antananarivo angekommen, gehen wir essen, tanken das Auto voll und fahren zum Hotel, in dem ich letztes Mal war. Leider ist es ausgebucht und auch die nächsten drei, die Bari ansteuert, sind voll. Echt jetzt? Ich werfe das Internet an und nach ein paar Minuten ist eine freie Unterkunft gefunden. Heute ist der letzte Tag, an dem Bari mein Fahrer ist, er wird mich aber noch zum Flughafen bringen. Ich verabschiede mich vorerst, beziehe das Zimmer und teile mein Zeug auf die beiden Rucksäcke auf, da ich die nächsten vier Tage nur mit dem Tagesrucksack unterwegs sein werde. Immerhin möchte auch von Madagaskar einen Eindruck bekommen, wie es ist, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen. Im Zimmer ist es laut. Nicht nur von unten, auch von der Straße. Ich bin im Ausgehviertel gelandet und es ist Samstag. Den restlichen Abend sortiere ich die unzähligen Fotos aus, die ich heute geschossen habe und sortiere die Ereignisse in meinen Kopf ein. Mit Sicherheit war das heute das schrägste Fest, auf dem ich je war.