Flug OB 585

Die Zauberspritze von heute morgen hat mich tatsächlich von den Toten auferweckt und reisetauglich gemacht. Ich fühle mich deutlich besser. Was für ein Wunderzeug. Hoffentlich bleibt das auch so, denn ich habe noch 18 Stunden Reise über Nacht vor mir. Naja, vielleicht finde ich während der sieben Stunden Aufenthalt in Santa Cruz de la Sierra etwas Schlaf. Was aber, sollte ich doch krank werden? Eine kurze Recherche beim Veranstalter der Expeditionsfahrt in die Antarktis ergibt: kein Problem, denn auf dem holländischen Schiff gibt es eine “all-diseases-welcome policy”. Die Pandemie ist offiziell vorbei und selbst Corona wird wie ein normaler Schnupfen eingestuft. Nachdem ich den Taxifahrer bezahlt habe, gehe ich zum Check-In-Schalter und nach nur zehn Minuten ist alles erledigt. Also ab zur Sicherheitskontrolle. Fehlanzeige, denn die hat nicht geöffnet. Naja, ist eben ein sehr kleiner Flughafen. Gegen fünf Uhr bin ich dann am Gate. 

Am Flugfeld steht gerade einmal ein Flugzeug. Das wird wohl das für den Flug sein, der eine halbe Stunde vor meinem geht. Nach einer Viertelstunde landet ein zweites Flugzeug. Vermutlich unseres. Hmmm, sieht nach Verspätung aus. Etwas später werden die Leute vom vorherigen Flug aufgerufen und steigen in den gerade gelandeten Flieger ein? Wie jetzt? Ich frage beim Bodenpersonal. Alles korrekt. Unser Flugzeug ist das andere, es muss allerdings noch auf die Freigabe warten, da ein Triebwerk überhitzt war. Na hurra, so genau wollte ich das gar nicht wissen. Also noch länger warten. 

Schließlich ist es soweit und wir können boarden. Wie gewohnt rollen wir gemütlich auf die Startbahn und heben mit mehr als einer Stunde Verspätung um kurz nach halb sieben Uhr ab. Plötzlich ein komisches Geräusch und die Leute in den vorderen Reihen schreien. Kurz riecht es verbrannt. Alter, das ist nicht gut? Der Pilot gibt durch, dass das linke Triebwerk nicht mehr unter Kontrolle ist und wir nach Sucre umdrehen. Kurz habe ich 200 Puls und ich frage mich, ob es das jetzt war. Todesangst habe ich aber nicht. Da war der Alptraum am ersten Tag zum Huayna Potosi um einiges beängstigender. Vermutlich, weil ich weiß, dass so ein Vogel mit nur der Hälfte der Triebwerke trotzdem vollständig manövrierfähig ist. Reserven gibt es jetzt allerdings keine mehr. 

Hmmm, es fühlt sich nicht so an, als würden wir umdrehen. Nach langen fünf Minuten eine weitere Durchsage. Das Triebwerk ist wieder unter Kontrolle und wir fliegen nach Cochabamba, da es dort einen Mechaniker gibt. Flugdauer: 25 Minuten. Das liegt zwar überhaupt nicht in meiner Richtung, das ist mir aber gerade voll egal. Die Dame neben mir stellt sich einen Timer und sülzt mich alle fünf Minuten an, wie lange es noch dauert. Äääh, schön, aber nicht gerade sehr hilfreich. Ansonsten herrscht im Flieger Totenstille. Hmmm, ich dachte immer, dass in so einer Situation eher panische Stimmung herrscht. Ohne weitere Komplikationen landen wir um sieben Uhr sanft in Cochabamba. Tja, da darf schon mal ordentlich geklatscht werden. Wenn, wann nicht jetzt. Der Kapitän möchte, dass wir noch im Flieger sitzen bleiben und die organisatorischen Informationen abwarten. Nö, sicher nicht. Keine Ahnung, was den Triebwerken noch so einfällt und da möchte ich nicht mehr im Inneren des Flugzeugs sein. Außerdem sind die Türen bereits geöffnet. Und so schnappe ich mein Zeug und mache mich mit dem Großteil der Passagiere auf den Weg nach draußen, wo die Flughafenfeuerwehr bereit steht und zwei Männer das Triebwerk begutachten. 

Am Gate meint ein Passagier, der sich mit Flügen und Flugzeugen auskennt, dass es ein Vogelschlag war. Das würde den knusprigen Geruch erklären. Es herrscht viel Aufregung, da wir keinerlei Infos haben, wie es nun weitergeht. Klar, wir sind ja auch an einem völlig anderen Flughafen als geplant. Dann endlich die Durchsage, dass wir ganz normal unser Gepäck abholen und damit zum Check-In-Schalter gehen sollen. Das Bodenpersonal kümmert sich dann um den Weiterflug. Na dann, nix wie los. Klarerweise staut es vor den Schaltern. Was für ein Tag. Zuerst krank, dann mit einer Wunderspritze wieder aufgerichtet und nun dieser Flug. Da ist es schön, einer Frau helfen zu können, die verzweifelt versucht, einen Kabelbinder an ihrem Koffer zu öffnen. In der Schlange geht es gut weiter und die Dame am Schalter ist bestens informiert und bucht mich für den nächsten Flug nach Santa Cruz de la Sierra, der bereits in einer Dreiviertelstunde geht. Super. 

Also ab durch die Sicherheitskontrolle und kurz später zu Fuß weiter zum Flugzeug. Ein kurzer Schreck beim Blick auf die Flugzeugnummer, denn sie ist fast identisch mit der vom vorigen Flugzeug, unterscheidet sich dann aber doch an der letzten Stelle. Pfuh, da wäre ich sicher nicht eingestiegen. Kurz nach neun Uhr heben wir ab. So entspannt wie sonst, bin ich allerdings nicht. Kein Wunder. Nach einem unauffälligen Flug landen wir nach vierzig Minuten in Santa Cruz de la Sierra. Es muss ja auch nicht immer so aufregend sein. In Summe hat mich der “Umweg” vier Stunden gekostet. Also nichts mit sieben Stunden Ausruhen. 

Da ich zum internationalen Bereich muss, muss ich durch den Zoll raus und wieder einchecken. Im Anschluss kaufe ich beim bewährten Essensstand mit meinen letzten Bolivianos noch ein Stück der köstlichen Pizza. Nachdem diese verputzt ist, geht es durch die Sicherheitskontrolle und ich fülle einen Wisch vom Zoll für die Ausreise aus. Ein Stück weiter wecke ich die Dame auf, die den sinnlosen Zettel wieder einsammelt und noch ein Stück weiter knallt ein Beamter den Ausreisestempel in den Pass. Gegen halb zwölf Uhr liege ich auf einer ungemütlichen Bank beim Gate. Aber immerhin gibt es etwas zum Liegen und im Hintergrund läuft Rockmusik in einer Bar. Ich bin hundemüde und stelle zur Sicherheit einen Wecker für den Weiterflug nach Buenos Aires. 

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