Carretera Austral Tag 6: Villa O’Higgins
Auf der flachen Rückenlehne hat es sich hervorragend geschlafen, das werde ich ab jetzt häufiger machen. Es ist noch ruhig, nur die Radfahrer machen sich auf den Weg nach Norden. Der Himmel strahlt blau, der Mond scheint und es ist windstill. Hinter den Bergen geht die Sonne auf. Ich frühstücke und quatsche mit ein paar Leuten, bis sich um zehn Minuten vor Abfahrtszeit etwas auf der Fähre bewegt. Also ab ins Auto. Die Fähre ist klein und nicht zum Durchfahren, sondern Last-In-First-Out. Ich bin der zweite der rückwärts auf die Fähre fährt, komme also als einer der letzten runter. Bei einer maximalen Anzahl von 13 Autos ist das aber völlig egal.
Nach einer Dreiviertel Stunde geht es ab Rió Bravo auf einer engen Straße weiter. Einige mir entgegenkommende Leute fahren wie irre. In einer Kurve kommt mir ein Motorradfahrer auf meiner Innenseite der Straße entgegen. Wäre ich um einen Tick schneller, hätte ich den lebenden Organspender auf der Windschutzscheibe kleben. Was für ein Vollidiot. Ein weiterer, nicht sehr intelligenter Zeitgenosse ist ein Schaf, das mitten auf der Straße schläft, genau hinter einer Kuppe. Wahrlich ein doofes Schaf.
Die Landschaft ist atemberaubend. Immer wieder blicke auf Berge, Wasserfälle, Seen und Feuchtgebiete. Jeder Berg, der etwas auf sich hält, hat einen Gletscher. Die Strecke geht eine Weile so dahin, bis ich den Ort Villa O’Higgins erreiche. Sieben Kilometer weiter liegt Puerto Bahamondes. Hier fragt man nicht zu welcher Uhrzeit die nächste Fähre geht, sondern an welchem Tag. Nach 1247 km habe ich das Ende der Carretera Austral erreicht. Aber wo ein Ende, da auch ein Anfang. Auf der anderen Seite des Schildes steht Kilometer 0.
Zurück in Villa O’Higgings bestelle ich in einem Restaurant Hase mit Salzkartoffeln und dazu ein Kunstmann Lager. Hier gibt es Hase? Cool. Als ich mit meiner Geldtasche vom Auto zurückkomme, steht ein Teller mit Fisch an Tisch. Hmmm, Hase sieht anders aus. Die Recherche ergibt dass es sich um Seeaal handelt. Congrio klingt aber auch sehr ähnlich wie Conejo. Dann eben Seeaal, hatte ich eh noch nie.
Gegen vier Uhr fahre ich zurück nach Rió Bravo um sicher zu gehen, das ich auf die letzte Fähre komme. An einem Wasserfall, der direkt vom einem Gletscher gespeist wird, fülle ich noch meinen Wasservorrat auf. Herrlich, wie einfach das hier geht. Als die Fähre kurz vor sieben Uhr kommt sind wir sagenhafte drei Autos. 😁 Am Ufer sehe ich einen Kolibri herum schwirren. Hier in Patagonien? Wo es im Winter schneit? “Sí, hay muchos”, sagt ein Einheimischer. Hätte ich nicht gedacht. Wieder in Caleta Yungay angekommen fahre ich im Dunkeln nach Tortel. In diesem Ort gibt es keine Straßen, sondern nur Stege zu den Häusern. Ich stelle mich auf den großen Parkplatz und richte alles für die nächste Nacht im Auto.