Carretera Austral Tag 7: Sendero Aviles
Auch diese Nacht habe ich hervorragend im Auto geschlafen und nachdem das Zeug verstaut ist geht es auch schon los. Es ist sehr wenig Verkehr, die Saison ist fast vorbei, so komme ich gut voran und erreiche um Mittag das Besucherzentrum vom Parque Nacional Patagonia, dem jüngsten Nationalpark von Chile. Aus Mangel an Wechselgeld reduziert sich der Preis für den Eintritt und das Campen um 1000 Pesos. Auch nicht schlecht. Das Museum gibt Informationen über den Nationalpark und behandelt den negativen Effekt des explosionsartigen Bevölkerungswachstums der Menschheit auf die Erde und ist echt sehenswert. Neben dem Gebäude grasen jede Menge Guanacos genüsslich vor sich hin. Was für eine friedvolle Stimmung. Ich verspüre den Wunsch noch eine Nacht länger zu bleiben.
Nach einer aussichtsreichen Fahrt zum Camp Casa de Piedras checke ich beim Ranger ein und starte mit der Wanderung Sendero Aviles. Zuerst sind zwei Kilometer des flachen Tales zu queren, bevor es entlang einer Schlucht immer bergauf geht. Ich merke, das ich vom vielen im Auto sitzen ganz schön eingerostet bin. Meine stacheligen Freunde aus El Calafate gibt es hier auch. Hallo zusammen, aber raus aus meinen Schuhen. Bei ungefähr einen Viertel der Strecke sehe ich auf der anderen Seite der Schlucht einen anderen Wanderer. Es soll der einzige für heute bleiben.
Ich erreiche eine Hängebrücke, die über die Schlucht führt. Halbzeit und Zeit für Pause mit Jause. Gestärkt gehe ich weiter und komme zu einem Bach. Leider ist nichts mit Überqueren. Also raus aus den Schuhen und durch das saukalte Wasser. Brrr. Nach einem kurzen Aufstieg auf der anderen Seite sieht mich eine Gruppe Guanacos prüfend an. Keine Gefahr, wir grasen weiter. Cool. Der Blick auf das Valle Chacabuco wird frei und man kann gut erkennen, das es mit Unmengen an Sediment gefüllt ist.
Um kurz nach sechs Uhr bin ich wieder zurück in Camp. Ein anderer Ranger namens Ben heißt mich herzlich willkommen. Ich bin heute der einzige Gast im Camp. Wie cool ist das denn? Er zeigt mir alles und ich darf sogar in seiner Küche kochen. Nachdem ich das Zelt aufgebaut habe gehe ich mit meinem Essen und zwei Bier zu Ben. Ich bereite mir den üblichen Couscous zu und wir quatschen lange in einem Mischmasch aus Englisch und Spanisch. Wenn wir uns überhaupt nicht verstehen hilft eine Übersetzungs-App. Es ist zappenduster als ich ins Zelt gehe, der Himmel sternenklar und die Milchstraße ist perfekt zu sehen. Was für ein schöner Ort. Im Zelt schreibe ich noch etwas am Reisebericht und schlafe dabei ein.
Carretera Austral Tag 8: Sendero Lagunas Altas
Es raschelt direkt beim Zelt. Hoffentlich sind keine Mäuse an meiner Jause. Ich mache etwas Radau und Ruhe ist. Nachdem alles verstaut ist und ich gefrühstückt habe, mache ich mich auf den Weg zum Ausgangspunkt der heutigen Wanderung, dem Sendero Lagunas Altas. Neben der Straße läuft etwas, vielmehr hoppelt es lustig dahin. Es ist ein Patagonisches Stinktier. Beim Besucherzentrum sehe ich einen Carancho, einen sehr fotogenen Raubvögel, herum steigen. Nach einem kurzen Stück bin ich um halb zehn beim Ausgangspunkt und gehe los.
Das Wetter ist herrlich und mir wird schnell warm. Ich habe Durst. Als ich die Wasserflasche zum Mund führe gibt das Plastik nach und ein Schwall Wasser spritzt mir direkt in die Nase. Toll, nun hatte ich eine Nasenspülung mit über 1000 Jahre altem Wasser. Das kann sicher nicht jeder von sich behaupten. 😁 Nach dem ersten Anstieg geht es auf der Rückseite des Berges abwechselnd durch Wald, freies Gelände und trockenem Gras. Der Wald besteht hauptsächlich aus Lengas (Südbuche), deren Blätter sich gerade herbstlich zu verfärben beginnen. Nach einem schönen Aussichtspunkt erreiche ich die erste Lagune. Der Weg führt nun in leichtem Auf und Ab von einer Laguna zur anderen. Auf halber Strecke an einer kleinen Lagune mit viel Schilf mache ich Mittagspause. Schließlich erreiche ich die letzte und zugleich schönste Laguna, die mit Felsen und rot gefärbten Lengas umgeben ist. Das Wasser ist kristallklar und die Sicht auf die teilweise schneebedeckten Berge ist ausgezeichnet. Der ideale Platz für die zweite Rast. Kondore schrauben sich binnen Kürze über mir in die Höhe.
Ich gehe weiter und komme zu einer Abzweigung. Hmmm, runter und die Runde weiter gehen, oder rauf entlang des Sendero Los Condores? Kurz auf der Karte nachsehen. Es geht zu einem Pass zum Parque Nacional Tamango hinauf. Klare Entscheidung. Ich komme an einem kleinen Gebirgssee vorbei und stehe nach einer Stunde am Pass mit toller Aussicht auf den schneebedeckten, 3706 m hohen Monte San Lorenzo o Cochrane an der Grenze zu Argentinien. Ich drehe um und gehe die Runde weiter. Am weiteren Weg ist das ziemlich belebte Camp West Wind II zu sehen. Hmmm, ich glaube hier will ich heute nicht bleiben. Um kurz nach sechs Uhr bin ich wieder beim Auto und beschließe weiter zu fahren.
Am Weg nach Norden liegt Confluencia Río Baker y Río Nef, wo die beiden unterschiedlich gefärbten Flüsse zusammenfließen. Kurz davor ist ein gewaltiger Wasserfall, wo das Wasser tosend über zwei Stufen fließt. Auf der weiteren Fahrt komme ich zu einem Aussichtspunkt über einen schönen See. Fotostopp. Als die Türe ins Schloss fällt, fällt die Verkleidung vom ohnehin schon ziemlich angeschlagenen Außenspiegel auf den Boden. Ab damit hinter den Fahrersitz und weiter nach Puerto Guadal, wo ich zur Dämmerung an der Anlegestelle parke. Zum Abendessen gibt es wieder das Standardmenü: McMax, Bier und Kekse. Das Wetter für die nächsten drei Tage soll regnerisch und sehr windig werden. Hmmm, mal gucken, ob die Wanderung zum Cerro Castillo möglich ist.