Medellín

Anreise 

Heute ist Reisetag nach Medellín angesagt, allerdings brauche ich noch Kohle. Um die Gebühr für die Abhebung bestmöglich zu nutzen, hebe ich den Maximalbetrag von 2 Mio. ab. Da wo normalerweise die Abfrage kommt, ob von dieser oder der eigenen Bank die Währung umgerechnet werden soll, kommt eine Fehlerseite. Ich tippe etwas herum und das Geld rattert aus dem Automaten. Am Beleg sehe ich, dass der Betrag von dieser Bank für einen grottigen Kurs umgerechnet wurde. Bei dem Betrag sind das 25 €. Zum Vergleich: Dafür gibt es eine Übernachtung, drei Mahlzeiten und ein paar Biere. So nicht. Der Typ in der Bank meint, ich soll es ihm zeigen. Mache ich. Als die Fehlerseite kommt, tippt der Vollpfosten auf den Bildschirm und ich kann die Transaktion gerade noch abbrechen. Tja, wie sich herausstellt, ist das keine Fehlerseite, sondern eine  sehr schlecht lesbare “Infoseite”. Ein Schelm, der dabei Böses denkt. 

Angepisst hole ich mein Gepäck und gehe zum Bus. Hier läuft es besser, denn wir fahren bereits nach fünf Minuten ab. In Pereira angekommen, checke ich ein Bus Ticket und ein unverschämt teures Wasser. Na heute läuft’s. Zumindest ist es gefroren und es bleibt länger kalt. 🤪 Die Wartezeit verbringe ich mit den Reiseberichten, bis es am frühen Nachmittag losgeht. Ich mütze eine Stunde und checke Alternativen zum überteuerten Lost City Trek. Stau. Baustelle. Ein Mann kommt in den Bus und verkauft Maisbrot. Zuschlag. Schmeckt nicht schlecht. Es geht weiter und wir überholen einen anderen Bus im Überholverbot kurz vor einer Kurve. OK, lieber wieder etwas am Handy machen. 😁 

Erst bei einer Pause merke ich, wie sich das Klima verändert hat. Es ist heiß und schwül. Tja, so wird es fast den Rest der Reise sein. Ein frischer Maracujasaft macht es etwas erträglicher. Die weitere Straße windet sich über unzählige Kurven durch saftig grüne Berge hoch. Immer wieder steigen Verkäufer zu, wobei der Bus dabei nicht ganz stehen bleibt. Es zieht sich und es wird fast sieben Uhr, bis wir am Terminal del Sur ankommen. Und wieder einmal erreiche ich eine Stadt in der Dunkelheit. Diesmal die nur vor wenigen Jahren gefährlichste und tödlichste Stadt der Welt, Medellín, der ehemaligen Heimat des Drogenbarons Pablo Escobar. Heutzutage wird viel in Medellín gefeiert, weshalb mir der Taxifahrer Tipps zum Ausgehen und anderen Dienstleistungen gibt. Tja, das Los eines Alleinreisenden Mannes. 😁 Beim Check-in wird mir gesagt, dass jede weitere Person 40.000 COP extra kostet. Äääh, schön. Keine weitere Person geplant. 

Draußen ist es voll laut, denn die Carrera 70, eine der Partymeilen in Medellín, ist nur wenige Meter entfernt. Ich bin nicht sehr motiviert noch raus zu gehen und checke Touren für morgen. Hunger treibt mich dann aber doch noch in ein Restaurant. Es gibt etwas zähes Chicharron und dazu ein gutes Pilsen. Die Musik von mindestens vier Lokalen prallt auf mich ein. Hmmm, erinnert mich an die Maturareise auf Kreta. 😁 Was für ein krasser Unterschied zu den Nächten in den Bergen. Am Heimweg spaziere ich noch ein Stück die Partymeile entlang und buche für morgen eine Tour zur Comuna 13.  

Comuna 13

Die heutige Tour in die Comuna 13 ist erst am Nachmittag, weshalb ich bis um zehn Uhr schlafen kann. Die restliche Zeit bis zur Tour verplempere ich am Laptop. Beim Bestellen eines Uber entscheide ich mich für das viel günstigere Zweirad. Der Fahrer kommt sogar mit einem Helm für mich. Geil. Den braucht es dann auch fast, da er versucht, zwischen zwei Autos durchzufahren, die aber gerade zu machen. Mit einer beherzten Bremsung sind wir wieder raus. Pfuh. Auch sonst fährt er ziemlich zackig z.B. über Bumper und ich muss mich fest an den Griffen halten, damit ich nicht abhebe. Nach langen 15 Minuten sind wir am Ausgangspunkt der Tour in die Comuna 13. OK, das nächste Mal wieder ein Auto. 

Nach kurzem Suchen zeigt mir eine Frau den Treffpunkt und ich sehe Alex, unseren Guide. Es ist noch Zeit genug, mir eine schmackhafte gebratene Wurst mit kleinen Kartoffeln und Limettensauce zu gönnen. Geile Kombi und schmeckt super. Nachdem die Letzten mit Verspätung eintrudeln, geht es nach einer kurzen Begrüßung los. Mit gefühlt Millionen anderen Touristen führt uns Alex ein paar Treppen zu einem kleinen Platz hoch, an dem eine Breakdance-Show zu bestaunen ist. Die haben echt schräge Moves drauf.  Alex erzählt viel über die Geschichte der Transformation, aber auch Schreckliches aus der Vergangenheit. Auch zum Beispiel, dass es hier in Medellín das mit 1100 Leichen größte Massengrab gibt.

Am Weg den Hang hoch, vorbei an bunten Häusern und genialen Graffitis gibt es Empanadas und kleine Würstchen zu verkosten, eine Galerie zu besichtigen und natürlich die Aussicht zu genießen.

Ein besonderes Highlight sind die Outdoor-Rolltreppen, die einen großen Teil zur Transformation vom Viertel beigetragen haben, da damit der Weg für viele Leute einfacher ist und das Viertel mit dem Rest der Stadt besser verbunden ist. 

Während wir auf einer Terrasse einer Bar die Aussicht genießen, zieht ein Gewitter auf und es beginnt sogar zu hageln. Tja, Trockenzeit in Kolumbien. 😁 Na dann schnappe ich mal ein köstliches IPA. Ich unterhalte mich mit Ken aus Victoria in British Columbia. Der Regen lässt etwas nach und Alex meint, wir sollten den kurzen Augenblick nutzen, um zurückzugehen. Und so schnell, wie der Regen kam, ist er auch wieder vorbei. Unten angekommen verabschieden wir uns vom Aushilfsgangster Alex, der uns noch einen Tipp gibt, wo wir schneller ein Taxi bekommen. Ken ist sehr nett und wohnt fast ums Eck von meinem Hotel, weshalb wir uns ein Uber teilen und uns zum Abendessen verabreden. 

Am Weg zum Hotel ist zweimal großes Polizeiaufgebot. Der Querverkehr wird gestoppt und ein Bus mit Blaulicht kracht vorbei. Keine Ahnung warum. Nach der Partymeile und einer köstlichen Empanada mit Avocado-Gatsch haue ich noch einen Blogartikel raus und mache mich “ausgehschick”. Ken hat gestern ein paar Restaurants abseits der Ausgehmeile gesehen und nach einer Weile landen wir bei einem Mexikaner. Wir erzählen uns Geschichten von unseren Reisen und kommen irgendwie auf den gestiegenen Energiebedarf der Menschheit. Ken sieht das aus einem sehr interessanten Betrachtungswinkel. Er hat Anthropologie studiert und sich während seiner Masterarbeit mit der Verwundbarkeit der Menschheit beschäftigt. Die hohe Abhängigkeit von Elektrizität und Technologie spielt dabei eine große Rolle. Wer hat schon ausreichend Nahrungsmittel und vor allem Wasser für 2 Wochen Zuhause? Denn: Strom weg, kein Wasser aus dem Wasserhahn. Seine Vorschläge an Regierungen und Verwaltungen für Vorsorgepläne wurden alle nicht weiterverfolgt, bis Hurrikan Katrina kam und sich die Regierung doch mit dem Thema beschäftigte. Wie immer muss vorab etwas Tragisches passieren, damit sich etwas ändert. Da ist der Mensch einfach etwas dumm gestrickt. Wir unterhalten uns sehr gut über dieses interessante Thema und ich erfahre viel Neues, bis wir kurz vor elf Uhr aus dem Restaurant gebeten werden. Sperrstunde. 

Ich begleite Ken noch zu seinem Airbnb und erfahre, dass er morgen ebenfalls nach Santa Marta fliegt. Cool, vielleicht können wir uns ja treffen. Entlang der Partymeile geht es mit einem zischenden Cola zurück ins Hotel. 

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert