Nach reichlich Schlaf düse ich zum Parkplatz vom Sovereign Hill in der nahegelegenen Stadt Ballarat. Auf dem großen Gelände befindet sich ein Outdoor Museum, das die Goldgräberzeit zum Thema hat. Es erinnert mich stark an Pullman City in Bayern, da es hier wie im Wilden Westen aussieht, oder zumindest so, wie man es aus den Wild-West-Filmen kennt. Die Stadt mit den Geschäften, Hotels, Bars und anderen Gebäuden sieht echt toll aus. Laut ausgehändigtem Programm gibt es aber viel mehr zu sehen. Räder bauen, Muskete abfeuern, Goldwaschen, Süßigkeiten herstellen, eine Goldmine und vieles mehr.
Nach einer kleinen Erkundungsrunde sehe ich mir die Vorführung von einem Polizisten an, der erzählt, wie hier früher für Recht und Ordnung gesorgt wurde, oder wie korrupte Beamte die Goldgräber abgezockt haben. Nach seinen interessanten Ausführungen stopft er eine Muskete und feuert sie mit einem lauten Knall ab. Selbstverständlich ohne Kugel, denn “What goes up, must go down!”, sagt er. Weiter geht es zu einem Schmied, der gerade Haken anfertigt. Nach ein paar Minuten beginnt die Vorführung und er hämmert noch einen verschnörkelteren Haken und ein Herz. Ich bin beeindruckt, mit welcher Geschwindigkeit und Präzision aus einer einfachen Stange Eisen ein nützliches Teil gefertigt wird. Noch mehr beeindruckt mich aber der riesige zweiteilige Blasebalg, der per Hand “aufgepumpt” wird. Schon beim Aufpumpen wird Luft in das Feuer geblasen, gleichzeitig wird der zweite Teil angehoben, der dann durch die Schwerkraft nach unten geht und “automatisch” weitere Luft ins Feuer bläst. Ziemlich genial, wie ich finde.
Auf der Main Street wird der abendliche Spider Dance einer Künstlerin angepriesen und ein Stück weiter kann man in einer Druckerei seinen Namen auf einen Steckbrief drucken lassen. Hmmm, der betrunkene Unruhestifter, der den Stadtfrieden gestört hat, klingt witzig. Wenn ich das Teil nur irgendwie transportieren könnte. Schade. Im Anschluss sehe ich mir die Demonstration an, wie mit einfachsten Mitteln Süßigkeiten erzeugt wurden. Heute am Programm: Himbeerzuckerl. Es sieht ziemlich cool aus, wie die zähe Zuckermasse langsam am Tisch auseinander fließt. Und das Beste? Es gibt eine Kostprobe.
Ich stelle fest, dass es mir hier sehr gut gefällt und ich den ganzen Tag bleiben möchte. Die Fahrt zur Pinguin-Parade auf Phillip Island wird somit aus dem Programm gestrichen. Tja, das ist das Schöne an einer flexiblen Reiseplanung. .
Ein Stück weiter wird in einer Wagnerei gezeigt, wie ein Wagenrad hergestellt wird. Früher konnten ca. zwei Räder pro Tag fertiggestellt werden. Mit den dampfbetriebenen Maschinen wurden es sagenhafte 200. Was für ein Unterschied. Die über 150 Jahre alten Maschinen sind immer noch funktionstüchtig und werden sogar für die Vorführung verwendet. Angetrieben werden sie durch jede Menge Räder, auf denen Riemen laufen. Eine Maschine wird eingeschaltet, indem durch einen Hebel ein Riemen auf ein angetriebenes Rad geschoben wird. Und schon beginnt sie sich zu drehen. Die Arbeitsschritte gehen echt zackig. Und wieder einmal bin ich fasziniert.
Entlang der Hauptstraße marschieren gerade fünf rot gekleidete Soldaten mit ihren Waffen auf und nehmen Stellung ein. Nach einer äußerst enthusiastischen Rede auf Queen Victoria wird ihr im Anschluss Salut geschossen. Ziemlich laut die Teile. Hmmm, vor zehn Minuten hat der Zuckerlmacher eine weitere Vorführung begonnen. Schnell hin und noch eines der köstlichen Zuckerl abstauben. OK, zwei. 😁 Das Zünden von Sprengstoff mit einer alten Batterie bekomme ich leider nur aus der Ferne mit, da ich schon zur Tour durch die Goldmine muss. Schade. Unser Guide erinnert mich stark an die Jetboot-Pilotin in Queenstown, da er auch sehr streng mit uns umgeht. Leider fehlt ihm aber der gewisse Humor. Egal, die Tour ist trotzdem interessant. Zuerst geht es mit einem Schrägaufzug 20 Meter tief in den Untergrund. Es ist absolut dunkel, bis das Licht angemacht wird. Durch einen für Touristen ausgebauten Stollen geht es zu Fuß weiter bis zu einer Stelle, die vor über 150 Jahren von unabhängigen Minenarbeitern in den Berg gehauen wurde. Man hat ausgerechnet, dass sie ca. 5 kg Gold aus der Quarzader gewonnen haben. Nicht schlecht. Als sie die Mine aufgegeben haben, haben sie sogar sichtbares Gold an der Decke zurückgelassen, da durch das Entfernen die Mine möglicherweise eingestürzt wäre. Das erfordert sicher eine Menge Selbstbeherrschung. Mit einer schmalen Bahn fahren wir zurück zum Schrägaufzug und wieder hinauf ans Tageslicht.
Laut Programm gibt es leider keine Vorführungen mehr, aber ich entdecke ein Schild, auf dem eine Demonstration, wie man Gold reinigt, angepriesen wird. Cool, das muss ich mir auch noch ansehen. Das flüssige Gold wird in eine Form gegossen und nach einer Weile kurz im Wasserbad abgekühlt. Die Verunreinigungen sammeln sich an der Oberfläche und können abgeklopft werden. Dann kann man es auch schon mit der Hand anfassen, denn Gold ist ein extrem guter Wärmeleiter und kühlt im Wasserbad rasch ab. Wir haben leider nicht das Privileg, aber auch mit etwas Abstand sieht es schön aus, wie das Gold im Licht glänzt. Kurz bevor um fünf Uhr geschlossen wird, quatsche ich noch ein wenig mit den Schauspielern, die mir erzählen, wie hier alles organisiert ist. Ich hätte nicht gedacht, dass hier ca. 200 Leute angestellt sind.
Beim Auto esse ich noch eine Kleinigkeit und suche einen alternativen Schlafplatz für heute, da ich ja nicht nach Phillip Island fahre. Der Tag hier hat einfach so viel Spaß gemacht und die Vorführungen waren echt interessant. Mein Weg führt mich durch Melbourne, wo es natürlich staut. Genauso, wie man es von einer Großstadt zur Rushhour erwartet. Gegen neun Uhr erreiche ich die nette und grüne Meeniyan Reserve Campsite, die direkt neben einem Cricket Platz liegt. Wie auch schon gestern ist es kühl und laut Wetterbericht soll es in den nächsten Tagen sogar noch schlechter werden. Grrr, was für ein Sommer. Ich erkunde die Umgebung, esse zu Abend, mache mich für das nächste Ziel schlau und überlege zwei Optionen für die restliche Route durch Australien.